Väterliche Ermahnung vor der Hochzeit des Sohnes

Väterliche Ermahnung vor der Hochzeit des Sohnes

(1.)
„Seitdem du tratest in das Leben ein,
da tratest du, mein Sohn, in manches rein.
Jetzt hast du Lust, das find ich sehr riskant,
hineinzutreten in den Ehestand –
drum nimm, mein Sohn, noch ein’ge Lehren mit,
bevor du tust den folgenschweren Schritt:

(2.)
Sei nicht zu schnell, wenn eine dir gefällt.
Bedenk: Es gibt viel Mädchen auf der Welt.
Nimm nicht das erste beste Mägdelein –
die erste wird nicht stets die beste sein.
Triffst du ’ne zweite, die dir besser passt,
dann tut’s dir Leid, dass du die erste hast.

(3.)
Der Schwiegervater kommt nicht in Betracht,
doch auf die Mutter deiner Braut gib Acht!
Spricht diese Muter voller Stolz zu dir:
„Auch ich sah aus wie meine Tochter hier.“,
oh, dann betracht‘ die Mutter dir genau,
denn wie die Mutter wird auch deine Frau.

(4.)
Sei treu und brav, sobald du dich verlobt.
Bezähme dich, wenn’s junge Herz auch tobt.
Und wenn dir auch ’ne andre sehr gefällt:
Denk‘ stets an deine Braut – und an ihr Geld!
Sei, während du verlobt, ein braver Mann –
und nach der Hochzeit fängste wieder an!

(5.)
Ist sie auch zehn Jahr älter als wie du:
Wenn se dir sonst gefällt, dann greife zu!
Schon nach fünf Jahren sagt sie jederzeit,
dass beide ihr in gleichem Alter seid.
Und kommen weitere fünf Jahr hinzu,
dann ist sie zehn Jahr jünger als wie du.

(6.)
Bist du mal untreu, da ist nichts dabei,
doch merkt’s die Frau, dann ist’s ’ne Schufterei!
Gefällt zum Beispiel dir die Stubenmaid,
dann suche mit dem Mädel täglich Streit.
Hört deine Frau, dass du stets räsonierst,
dann merkt se nicht, dass du mit der poussierst.

(7.)
Sei nett zu ihr, doch stets mit Maß und Ziel,
und, lass dir raten, schenk‘ ihr nicht zuviel!
Sie wird nicht dankbar sein, verlass‘ dich drauf –
Im Gegenteil, dein Wohltun fällt ihr auf.
„Wer weiß“, sagt sie, von Zweifeln jäh erfasst,
„was du jetzt wieder ausgefressen hast.“

(8.)
Ist sie mit einem andern sehr intim,
dann brause niemals auf – nein, schenk sie ihm!
Lass beide laufen, ruf‘ sie nicht zurück
und stör‘ den andern nicht in seinem ‚Glück‘.
Und bist du traurig, denk in deiner Pein:
Wie traurig wird nun bald der andre sein!

(9.)
Doch hast dein Weibchen du von Herzen gern,
dann halt sie stets von andern Männern fern,
damit du nie, kommt einst der Storch zu dir,
dich fragen musst: ‚Ist das ein Stück von mir?‘
Bedenke stets, wie herrlich schön es ist,
wenn du verwandt mit deinem Kinde bist.

(10.)
Vor allen Dingen merk‘ dir eines klar:
Nimm nie ’ne Frau, die schon verheirat’t war!
Mag auch der erste schlecht gewesen sein –
sobald er tot ist, kommt der Heil’genschein.
Er ist’s, der wie ein Engel sie umschwebt –
der zweite ist ein Ochs, solang‘ er lebt.

Als ich die Mutter freite, da war ich auch der zweite.“