Ick kann det Tempo nich’ vertragen
(1.)
Nee, det Geräusch in eenem fort,
det Klingeln, Rasseln, det Geläute,
der Fernseher hier, det Handy dort,
ick finde keenen stillen Ort –
und dann der Sport, der reene Mord!
Wat is‘ det bloß für’n Tempo heute!
Man rennt, man schwimmt, man boxt sich schlank –
„Sport macht gesund“, hör ick oft sagen.
Bis der gesund macht, bin ick krank!
Ick kann det Tempo nicht vertragen!
(2.)
’ne Uhr zeigt heut schon, wat se kann:
Sonst machte se bis zwölf de Runde,
nach zwölf kam eins gemütlich dran,
doch jetzt kommt dreizehn, vierzehn an –
bis vierundzwanzig schlägt se dann –
det Schlagen dauert schon bald ’ne Stunde!
Een „Five o’clock tea“ tut heut weh:
Bei „five“ hat se sonst „Fünf“ geschlagen,
jetzt schlägt se zum „Clock-siebzehn-Tee“ –
ick kann det Tempo nicht vertragen!
(3.)
Mit Zeitung’n füttert man uns satt:
Bevor man een Blatt ausgelesen,
kommt’s zweete schon, da is‘ man platt –
und eh‘ man det gelesen hat,
da widerruft schon ’s vierte Blatt,
wat in dem dritten drin gewesen.
Ick lese gar keen Exemplar,
kooft mir ’n Kalender vor’n paar Tagen,
der langt mir gleich für’t ganze Jahr –
ick kann det Tempo nicht vertragen!
(4.)
Wer früher ins Theater ging,
sah drei bequeme lange Akte.
Heut gibt’s Revuen mit viel Gespring’
und Sang und Sing und Klang und Kling
und fünfzig Bildern, kurz und flink –
und hundert Dam’n, und meistens nackte.
Heb’n die een Been, freu ick mir ooch,
doch, bis ick hinguck mit Behagen,
hab’n die schon längst det andre hoch…
Ick kann det Tempo nicht vertragen!
(5.)
Im Ehescheid’n is‘ man heut groß:
’ne Frau bleibt heut nicht lange kleben.
Da war’t doch früher ganz famos,
da wurde man die Frau nich‘ los,
da war der Ärger eenmal bloß
und langte gleich für’t ganze Leben!
Mein Freund hat jetzt schon Nummer vier:
Eh‘ ick mir traue „Du“ zu sagen,
sagt der schon wieder „Sie“ zu ihr.
Ick kann det Tempo nicht vertragen!
(6.)
Für’t Gehn hat man heut keenen Sinn:
Die Leute flieg’n in hellen Scharen.
Se sitzen ooch im Auto drin,
krieg’n hinten ’ne Rakete rin,
die explodiert nach vorne hin –
die lassen sich ja selber fahren!
Ick fuhr eenmal, det war nich‘ schön.
Ick musste raus und rief mit Zagen:
„Ick lass euch fahr’n, lasst mir jehn!
Ick kann det Tempo nicht vertragen!“
(7.)
Man tanzte früher sehr diskret,
konnt‘ sich bequem im Walzer wiegen.
Heut wird gehopst, so doll et geht,
det Hinterste nach vorn gedreht –
man weeß zum Schluss nich’, wie man steht:
da kann man Darmverschlingung kriegen!
Mir haben se heut‘ een Danz gelehrt,
verdrehten beinah mir den Magen.
Ick gloob‘, ick sitz noch jetzt verkehrt!
Ick kann det Tempo nicht vertragen!
(8.)
Det Lieb’n is‘ heut keen Genuss.
Geht man heut mal zu eenem Weibe,
dann hat se’t eilig, kommt in Schuss,
will gleich ’n Kuss und noch ’n Kuss
und noch ’n Kuss und denn is‘ Schluss –
Huch! Da zittr‘ ick ja am ganzen Leibe!
Da ist doch meine Frau voll Huld:
Schön is‘ se nich‘, det muss ick sagen,
aber se is‘ doch lieb und hat Geduld –
Ick kann det Tempo nicht vertragen!