Ich habe zuviel Angst vor meiner Frau

(1.)

Ich bin ein Mann, das kann ein jeder sehen.

Ich habe Kraft – verlassen Se sich drauf!

Und sollt heut Abend hier n Streit entstehen,

da nehme ich’s bestimmt mit jedem auf.

Da geh ich ran – da fürcht ich kein’n Krakeeler –

Sie solln mal sehen, wie ich den verhau.

Ich bin nicht schwach, ich hab bloß einen Fehler:

Ich habe zuviel Angst vor meiner Frau

 

(2.)

Das ist ne Frau, die niemals ich bezwinge.

Sie spricht nicht viel, ihr Blick sagt umso mehr.

Wenn die mal zum Zoolog’schen Garten ginge,

da bändigt sie die Viecher samt Dresseur.

Der stärkste Löwe fällt dann in Hypnose.

Sie ist sehr lang, von schmächt’gem Körperbau.

Guckt sie mich an, plumpst’s Herz mir in die Hose –

Ich habe zuviel Angst vor meiner Frau

 

(3.)

Ich lernt se kennen in nem Balllokale,

ich wollt se nicht, sie aber sah mich an,

als wollt sie sagen ein für alle Male:

„Du musst!“ Ich war der reene Mustermann!

Am Standesamt noch wollte „Nein“ ich sagen,

da traf ihr Blick mich streng und scharf und rau.

Da sagt ich „Ja“ mit Zittern und mit Zagen –

Ich habe zuviel Angst vor meiner Frau!

 

(4.)

Nun bin zu Hause ich in schweren Nöten,

geh leise auf den Zehen hin und her.

Ich trau mich nicht energisch aufzutreten,

ich habe keenen freien Willen mehr.

Ich frag se immer, eh ich aus dem Haus tret,

ob ich auch darf – sonst bleib ich drin im Bau.

Ich frag selbst um Erlaubnis, wenn ich austret –

Ich habe zuviel Angst vor meiner Frau!

 

(5.)

Sie kocht, man kann nicht sagen, dass se gut kocht.

Sie weiß nie, was es wird. Ich halte still.

Sag ich nen Ton, kommt’s vor, dass sie vor Wut kocht –

Dann kocht se immer das, was ich nicht will.

„Koch keine Fische“, hab ich oft gebeten –

nun gibt’s dreimal die Woche Kabeljau.

Ich fress se auf, ich fress sogar die Gräten!

Ich habe zuviel Angst vor meiner Frau!

 

(6.)

Mein schönes Wirtshausleben ist erloschen,

ich darf nicht raus, die Schlüssel sind bei ihr.

Sie hat das Geld, erlaubt mir nicht nen Groschen.

Bloß Geld verdienen, das erlaubt sie mir.

Wenn ich sie seh, schleich ich von dannen immer,

sogar am Abend drücke ich mich schlau.

Ich schlaf auch nicht mit ihr in einem Zimmer.

Ich habe zuviel Angst vor meiner Frau!

 

(7.)

Wir haben keen Kind, das stimmt sie manchmal traurig

und strenge sagt sie mir: „Du bist keen Mann.

Komm, küsse mich, auf deine Liebe lau’r‘ ich.“

Sie schaut mich an, da trau ich mich nicht ran!

Ich stehe an der Tür wie’n armer Sünder –

Ne Schande ist’s, dass ich mich nicht getrau!

Mir bleib’n alleen, wir kriegen keene Kinder –

Ich habe zuviel Angst vor meiner Frau!

 

(8.)

Ist sie verreist, dann kann ich freier schalten,

dann lad ich mal ne Andre zu mir ein.

Doch an der wand hängt’s Bild von meiner Alten

mit einem Blick, der geht durch Mark und Bein.

Drum, eh ich knüpfe andre Liebesbande,

dreh ich se rum, dass sie mich nicht beschau.

Guckt sie mich an, bin ich zu nischt imstande –

Ich habe zuviel Angst vor meiner Frau!

 

(9.)

So leb ich nun im steten Angstgewimmel.

Doch sollt sie früher sterben als wie ich,

dann leb ich auf – bloß, komm ich einst zum Himmel,

dann drückt von Neuem eine Sorge mich…

Dann frage ich den Petrus schon von außen:

„Ist meine Frau drin? Suche ganz genau!

Und ist se drin, dann lass mich lieber draußen! –

Ich habe zuviel Angst vor meiner Frau!