(1.)
Treu zu sein mit sechzig, siebzig,
wo man schon ganz ausgeliebt sich,
sowieso nichts mehr erreicht,
das ist leicht.
Doch treu sein mit zwanzig, dreißig,
wo das Herz noch jung und fleißig,
da nicht schau’n nach andern mehr,
das ist schwer.
(2.)
Vater sagt zum Söhnchen: „Eben
hat der Storch was abgegeben,
hat ne Schwester dir gereicht.“,
das ist leicht.
Doch das Söhnchen sagt: „Mein Bester,
warum zeigst du bloß die Schwester?
Bring doch mal den Storch hierher!“
Das ist schwer!
(3.)
Hast du, weil dein Weib dir ferne,
mal nen junges Mädchen gerne,
küsste sie, bis der Tag verstreicht,
das ist leicht!
Doch erwischt dein Ehedrache
dich dabei und sagt aus Rache:
„Komm, küss mich gleich hinterher!“
Das ist schwer…
(4.)
Wer den Harem tat besuchen,
sah dort früher die Eunuchen.
Einer werden ist bald erreicht,
das ist leicht.
Doch jetzt nach des Harems Ende
stehn se da, se ring’n die Hände,
möchten werden wie vorher –
das ist schwer!
(5.)
Mancher Alter ohne Tugend,
um zu scheinen voller Jugend,
färbt sein Haar, wenn es erbleicht –
das ist leicht.
Lüg doch nicht in alten Jahren!
Glaubst du, mit gefärbten Haaren
kannst du lieben wie vorher?
Das ist schwer!
(6.)
Tänzerinnen sieht man oft schweben,
die ein Bein nach oben heben
und nicht fallen – ei, mir deucht,
das ist leucht!
Aber sich die Mühe geben,
beide Beine hochzuheben,
und dann nicht fallen hinterher –
das ist schwer!
(7.)
Vor den Wahlen was versprechen
und nachher sein Wort zu brechen,
hat man erst sein Ziel erreicht –
das ist leicht.
Doch im Eifer nicht erkalten,
nicht nur vorher Reden halten,
sie auch halten hinterher –
das ist schwer!