Bevor du sterbst

(1.)

Bevor du sterbst und einziehst in die Fremde,

rasier dich noch, und nimm ein reines Hemde.

Musst dir ne saubere Krawatte drechseln,

du kannst nachher die Wäsche nicht mehr wechseln.

Leg dich bequem, befreit von jedem Zwange,

du liegst in dieser Lage ziemlich lange.

Nimm’n Kissen untern Kopf mit weißen Bündchen

und mit der Aufschrift: „Nur ein Viertelstündchen.“

 

(2.)

Bevor du sterbst, schau nach dem Wärmemesser,

stell Heizung ab, für dich ist Kälte besser.

Bestell den Milchmann ab und auch den Bäcker,

zieh deine Uhr auf, aber nicht den Wecker.

Und dann stirb pünktlich, Frauen woll’n zum Schneider.

Sie könn’n nicht trauern ohne Trauerkleider.

Ja, manche, die bestelln’s schon vor dem Tode,

wenn du dann wartst, dann ist es aus der Mode.

 

(3.)

Bevor du sterbst, musst du dir’n Abschied leisten,

denn man betrauert meist sich selbst am meisten.

Spiel’n Trauermarsch auf deinem Klimperkasten,

doch spiele ernst, nur auf den schwarzen Tasten.

Bist du verheirat’t mit nem gift’gen Drachen,

dann schimpf noch mal, dass alle Wände krachen.

Doch dann stirb schnell: sollt sie dann weiterbrüllen,

dann hörst du nichts und hast den letzten Willen.

 

(4.)

Bevor du sterbst, besuch noch die Bekannten,

die sich mit Recht einst deine Freunde nannten.

Sag nicht, warum du kommst – beim Weitergehen

schau sie nur an, sag kurz „Auf Wiedersehen.“

Doch hat dich jemand schwer gekränkt mitunter,

mit letzter Kraft hau dem noch eine runter.

Kriegst du Gefängnis dann von längrer Dauer,

schreib kurz: „Ich kann nicht kommen, ich habe Trauer.“

 

(5.)

Bevor de sterbst, da kannst du die bedenken,

die dich geliebt, die kannst du reich beschenken.

Doch ’s gibt Verwandte, die aufs Ende lauern,

wenn die was erben, dann können se nicht trauern.

Die geh’n vom Grab direkt zum Weinlokale,

dort weint man nicht, man lacht beim Weinpokale.

Sie trinken auf dein Wohl beim Saft der Reben.

Erst wenn de tot bist, lasse se dich leben.

 

(6.)

Drum eh du stirbst, musst du noch einmal lachen.

Nicht denen, dir musst du ne Freude machen!

Ruf diese Bande, komm’n sie dann in Masse

Und könn’n nicht wein’n, zeig ihn’n die leere Kasse:

Wenn se die sehn, da kränken se sich tüchtig.

Da werd’n se traurig, und dann wein’n se richtig.

Und wenn se wein’n, zeig ihnen deine Lende!

Und lach dich tot, das ist das schönste Ende!