Einmal im Jahr

(1.)

Einmal im Jahr haben wir Geburtstag, die Jahre entgleiten.

Ist man erst alt, denkt man früherer Zeiten.

Dann müsst uns alles, was einst wir besessen,

was wir gelebt und geliebt und vergessen

wieder erscheinen, wie früher es war – einmal im Jahr.

 

(2.)

Einmal im Jahr müssten wir wieder voll Lebenskraft strotzen,

ohne mit Affenverjüngung zu protzen, müssten so singen die früheren Lieder.

Schön ist die Jugend, sie kehrt immer wieder.

Ich bin ein Jüngling mit lockigem Haar – einmal im Jahr.

 

(3.)

Einmal im Jahr müssten wir wieder die Stätten bereisen,

die man einst sah, alle Gegenden preisen.

Gott, war das herrlich, man fuhr durch die Lande,

reiste ins Bad, ging spazieren am Strande.

Manche, die haben gebadet sogar – einmal im Jahr.

 

(4.)

Einmal im Jahr müsst unser Weibchen so sein wie vor Jahren,

jung und schön, als wie noch Brautleute waren.

Müsst uns so küssen wie früher im Leben –

und wie viel Küsse haben wir ihr gegeben…

Später da wird dann die Zuneigung rar… – Einmal im Jahr!

 

(5.)

Einmal im Jahr müssten die Mädchen, die süßen, die feinen,

die einst geliebt wir, uns wieder erscheinen.

Zierlich fest müssten vorüber sie wandern –

nicht auf einmal! Eine hübsch nach der Andern,

dass uns Zeit bleibt für de liebliche Schar – einmal im Jahr!

 

(6.)

Einmal im Jahr müssten uns wieder begrüßen hienieden

all unsre Lieben, die längst schon geschieden.

Müsst und die Mutter nach allem Befragen,

„Junge, mein Junge!“, so müsste sie sagen.

Macht uns zum Kinde trotz schneeweißem Haar – einmal im Jahr!

 

(7.)

Einmal im Jahr müssten auch wir hier vereint sein wie heute,

müsst ich begrüßen die nämlichen Leute,

festlich wie heut müssten komm’n Sie alljährlich

und ich sind hier, ’s wäre doch nicht zu gefährlich,

wenn Sie ertragen mein Repertoire – einmal im Jahr!