Der Überzieher

 

(1.)
Kennen Sie denn die Geschichte von dem Überzieher schon,
den sich kaufte der Herr Fichte bei der Firma Stern und Sohn?
Dieser Paletot war’n Prachtstück, und der Preis war gar nicht stark:
Neunundvierzig Mark und achtzig – nicht mal ganze fünfzig Mark.
Der Herr Stern sprach: „Sei’n Se froh! ’s ist mein schönster Paletot.
Geb’n Sie Acht – auf die Pracht; ’s wird gestohl’n – bei Tag und Nacht.
Sind Se mal im Lokal, häng’n Se’n vor sich auf im Saal.
Schau’n Se’n dann immer an, bleibt der Überzieher dran.
Seh’n Se weg von dem Fleck, ist der Überzieher weg!“

(2.)
Fichte ging ins Wirtshaus leider. Dort war ’n Zettel angebracht:
„’s gibt kein Raum für Überkleider, jeder Gast geb‘ selber acht!“ –
Einen Haken fand Herr Fichte hinten nur, ’s war ärgerlich.
Darum dreht er sein Gesichte, hängt den Mantel hinter sich.
Und nun saß er wie gebannt, schaute immer nach der Wand.
„Ist er weg? Ist er hier? Ja, da hängt der Überzieh’r.
Ist er hier? Ist er weg? Nein, er hängt noch auf’m Fleck.
Schau ich stier hinter mir, hab‘ ich meinen Überzieh’r.
Seh‘ ich weg von dem Fleck, ist der Überzieher weg.“

(3.)
Fichte rief nun: „Kellner! Essen!“ Der bracht’s Essen ihm und ging.
Nun hat Fichte nie vergessen, dass der Mantel hinten hing.
Denn ihm schien – das war gefährlich – als ob alle Gäste hier
schauten gierig und begehrlich nur nach seinem Überzieh’r.
Darum kam’s, dass, als er aß, er den Mantel nicht vergaß:
‚Essen hier, da das Bier und da hängt der Überzieh’r.
Oben kau’n, hier verdau’n und dabei nach hinten schau’n.
Schau ich stier hinter mir, schmeckt kein Essen und kein Bier.
Seh‘ ich weg von dem Fleck, ist der Überzieher weg.‘

(4.)
Nun mag sein, durch die Bewegung, durch das Drehen beim Souper
kam sein Korpus in Erregung, und er kriegte Magenweh.
„Gut“ sagt er, „das geht vorüber“, wollt zu der bewussten Tür,
die ihm grade gegenüber – ‚Halt!‘ denkt er, ‚der Überzieh’r!‘,
setzt sich wieder hin ganz sacht‘ und hat kummervoll gedacht:
‚Wenn zur Tür ich marschier‘, nimmt man mir den Überzieh’r.
In der Eck, im Versteck, geh’n die Magenschmerzen weg.
Bleib ich hier im Revier, bleib’n de Magenschmerzen mir.
Geh‘ ich weg von dem Fleck, ist der Überzieher weg.‘

(5.)
So dacht Fichte und blieb sitzen, aber schließlich musst er raus.
Plötzlich sprach er: „Das wird nützen: trittst jetzt mit dem Mantel aus!
Brauchst ihn ja nicht anzuziehen, das erschüttert dich zu sehr.
Nimmst ihn übern Arm beim Fliehen und kommst nachher wieder her.“
Er stand auf und – setzt sich hin, alles fuhr ihm durch den Sinn:
‚Essen, Bier kriegt ich hier, hab‘ noch nicht bezahlt dafür.
Magenschmerz drückt mein Herz und der Kellner anderwärts.
Wart ich prompt, bis er kommt, weiß ich nicht, ob mir das frommt.
Geh‘ ich weg von dem Fleck, ist der Überzieher weg.

(6.)
Nehm ich mir ’n Überzieh’r über’n Arm, schaut man nach mir,
denn der Raum, der mein Traum, ist zwei Schritt vom Ausgang kaum.
Steh‘ ich auf und ich lauf mit dem Rock, hält man mich auf:
„Nicht vom Fleck! Der will keck mit dem Überzieher weg.“
Alles schwirrt und kracht und klirrt, bis der Wirt gerufen wird.
Schließlich irrt auch der Wirt, schimpft mit mir und wird verwirrt.
’s kommt ’n Gast und der fasst meinen Mantel voller Hast
und ruft keck, dieser Geck nahm mir ’n Überzieher weg!

(7.)
Will ich dann zu dem ran, kommt der Kellner hinten an:
„Bleib’n Se hier! Nicht zur Tür! Zahl’n Se erst die Zeche mir!“
Bis ich zahl‘ voller Qual, ist der raus aus dem Lokal.
Ich am Fleck ohne Zweck und der Überzieher weg.
Bis ich näh’r das erklär‘, dazu drängt die Zeit zu sehr.
Das Malheur kommt vorher: Ich hab den Gang nicht nötig mehr!
Wie ich’s mach‘ gibt’s ’nen Krach, ja da hilft kein Weh und Ach:
Ich hab den Schreck und den Dreck und den Überzieher weg!‘