Berlin is‘ ja so groß

Berlin is‘ ja so groß

(1.)
Berlin wird immer größer, es hat Peripherien,
die immer weiter weichen vom Weichbild von Berlin.
Lebt man auch dort jahrein, jahraus,
man kennt sich niemals ständig aus.
Berlin is‘ ja so groß, so groß, so groß!
Denkt man, man kennt Berlin,
denn ist’s schon wieder größer, als wie es früher schien.

(2.)
’ne Frau erwischt ’ne Köchin, wie die ganz ungeniert
dem alten Herrn des Hauses ’nen langen Kuss spendiert.
Sie sagt zur Köchin: „Aus dem Haus!“
„Na wennschon!“, ruft die Köchin aus:
„Berlin is‘ ja so groß, so groß, so groß!
’ne Stelle krieg ich doch.
So’n alten Kerl, wie Sie hab’n, den find‘ ick immer noch!“

(3.)
Es sagt ein reicher Landwirt zu seinem Freund vom Land:
„Fahr‘ mit mir nach Berlin hin, da ist es int’ressant.
Da toben wir uns beide aus.
Was wir da treiben, kommt nich‘ raus!
Berlin is‘ ja so groß, so groß, so groß!
Da wird uns Freude blüh’n!
Und komm’n wir dann nach Hause, dann schimpf’n mer uff Berlin.“

(4.)
Es kommen Anverwandte zu Krauses nach Berlin.
Sie geh’n in die Museen, in alle Gallerien.
Sie sag’n zu Krause: „Du hast’s fein!
Du sahst schon alles.“ Der sagt: „Nein.
Berlin is‘ ja so groß, so groß, so groß!
Die Wege sind so weit.
Ick wohn‘ erst zwanzich Jahr hier, ick hatt‘ noch keene Zeit.“

(5.)
Ein Eh’mann kommt nach Hause nach viere in der Nacht.
Sie sagt: „Um zwei, da werden die Kneipen zugemacht.
Du kommst nach Hause erst nach vier?“
Er sagt: „Ick hab verloofen mir.
Berlin is‘ ja so groß, so groß, so groß!
Ick kam woanders hin.
Wer da nich‘ richtig uffpasst, ist gleich woanders drin.“

(6.)
Viel ist dort auf den Straßen geregelt der Verkehr.
Doch wenn ’ne Ampel ausfällt, denn hat man schwer Malheur.
Doch sollte eenem wat passier’n,
dann braucht man nicht gleich lamentier’n.
Berlin is‘ ja so groß, so groß, so groß!
Fehlt wirklich mal een Mann:
Det schad’t doch nischt, uff eenen da kommt’s ja gar nicht an!

(7.)
Es sitzt ein Urberliner im Gartenrestaurant
und lauscht auf einen Vogel, der in den Zweigen sang.
Da fällt von oben was ins Bier.
Da sagt der Mann: „Warum bei mir?
Berlin is‘ ja so groß, so groß, so groß!
Du bist so’n kleenes Tier,
und wat de machst, det machste gerad‘ ausgerechnet hier!“

(8.)
Ein Mägdelein poussierte in jedem Nachtlokal.
Dann kam der Storch. Ich traf sie mir ihrem Kinde mal.
„Wer ist der Vater?“, sagt‘ ich leis‘.
Da sagt‘ sie sehr betrübt: „Wer weiß?
Berlin is‘ ja so groß, so groß, so groß!
Ick nenn‘ den Bengel da:
Georg Max Bernhard Heinrich – gekürzt: G.M.B.H.!“

(9.)
Es stand vor einer Droschke ein alter Droschkengaul.
Da meldet sich ein Fahrgast, doch er bleibt müd‘ und faul.
Er denkt: „Ick soll von W nach N? Wer weeß, ob ick so lange renn…
Berlin is‘ ja so groß, so groß, so groß!“
Zum Kutscher sagt det Tier:
„Ach, koof dir lieber ’n Auto und mach ’ne Wurscht aus mir!“