Beinah

(1.)
Die Frauen könn’n nicht pünktlich sein – oh nein!
Schon Eva kam voll Gravität – zu spät.
Schreibt dir ne Frau, sie kommt zu dir – um vier,
ist pünktlich sie um sechse da – beinah.

(2.)
Großpapa sieht nicht deutlich mehr – Malheur!
Sein Enkelkind liegt andersrum – wie dumm!
Er küsst’s, legt’s dann ins Bett zurück – voll Glück,
weil er ihm tief ins Auge sah – beinah.

(3.)
Ein Alter nimmt ne junge Frau – schau, schau!
Doch trotzdem stellt der Storch sich ein – wie fein!
Das Kind sitzt auf des Alten Schoß – famos,
denkt lächelnd: Du bist mein Papa – beinah!

(4.)
’s gibt Frau’n, die woll’n wie Männer sein – wie fein!
Trainieren, komm’n mit Muskeln an – wie ’n Mann.
Kopieren unsern Körperbau – genau.
Bald steh’n sie ganz wie Männer da – beinah…

(5.)
Deutschlands Finanzminister schafft – voll Kraft.
Er ist im Amt noch nebenher – Jongleur.
Jongliert im Ministerium – herum.
Da balanciert er den Etat – beinah…

(6.)
Es steht vor einem Traualtar – ein Paar.
Sie spricht ihr Ja-Wort resolut – voll Mut.
Sein Ja-Wort klingt recht wehmutsreich – sehr weich.
Wie’n Eselslaut klingt sein IA – beinah!

 


Man wird ja so bescheiden

(1.)
Der Bücherpreis ward hochgesetzt.
’s langt nicht für die Courths-Mahler jetzt.
Man konnt’ se so gut leiden.
Nun liest man Altes, ’s ist egal.
Man liest den „Faust“ zum ersten Mal.
Man wird ja so bescheiden…

(2.)
Einst saß man erste Preisgrupp’ fein,
ging höchstens in die zweite rein,
die dritte tat man meiden.
Heut ist die vierte sehr beliebt,
weil es noch keine fünfte gibt –
Man wird ja so bescheiden…

(3.)
Einst hatt’ ne Köchin manche Frau.
Heut kocht se selbst, ’s klappt nicht genau.
Es macht ihr Müh und Leiden.
Und er, er frisst’s mit trübem Sinn
Und denkt: Ach, ’s bleibt ja doch nicht drin!
Man wird ja so bescheiden…

(4.)
Einst suchte man im Warenhaus
sich in der Woche Waren aus,
um seine Frau zu kleiden.
Heut führt man bei der Sonntagsruh’
sie vor’s Geschäft und sagt: „’s ist zu!“
Man wird ja so bescheiden…

(5.)
Einst fuhr’n die kunstverständ’gen Leut’
nach München, Weimar und Bayreuth.
Da war’n sie zu beneiden.
Heut sind die kunstverständ’gen Leut
statt in Bayreuth – bei Reuttern heut.
Man wird ja so bescheiden…

(6.)
Wem früher seine Frau zu alt,
der nahm sich ein Verhältnis bald.
Das muss man heute meiden.
Man holt die Alte wieder raus
und pust’t vorher de Lampe aus –
Man wird ja so bescheiden…

Warum?

(1.)
Auf dieser Welt so wunderlich
ist manches sehr absunderlich.
Wenn ich mir so die Welt betracht,
dann gebe ich auf alles Acht.
Dann staun ich manchmal und ich brumm:
Warum? Warum? Warum? Warum?

(2.)
Erst kommt man ungewollt zur Welt.
Man rafft, man schafft, man ringt nach Geld.
Man sitzt und schwitzt und lernt sehr viel.
Und wenn man glaubt, man ist am Ziel,
dann heißt es: Deine Zeit ist um!
Warum? Warum? Warum? Warum?

(3.)
Die Menschen sind nicht alle gleich:
der eine arm, der andre reich,
der eine blind, der andre stumm,
der eine gerad’, der andre krumm,
der eine klug, der andre dumm –
Warum? Warum? Warum? Warum?

(4.)
Weil Eva einst im Paradies
den Apfel dort nicht hängen ließ,
deshalb verschloss man uns die Tür –
ja, wir könn’n doch schließlich nichts dafür!
Zur Strafe geh’n wir draußen rum:
Warum? Warum? Warum? Warum?

(5.)
Hoch leb die Streifenpolizei!
Es ist nie einer, immer zwei.
Nur halb freut sich der Mensch allein:
Es müssen immer zweie sein.
Wenn was passiert, dann kehr’n se um:
Warum? Warum? Warum? Warum?

(6.)
Der Herrgott schaut vom Himmelsblau
herab auf Oberammergau:
Ich starb einst arm auf dieser Welt.
Die frommen Leut: für schweres Geld
kopier’n se mich und bring’n mich um:
Warum? Warum? Warum? Warum?

(7.)
‘nen König, der dreitausend Jahr
in seinem Grab gelegen war,
den störte man in seiner Ruh.
Er denkt: Lass doch den Deckel zu!
Was dreht ihr mich im Grabe rum?
Warum? Warum? Warum? Warum?

(8.)
Das Tier geht nackt seit alter Zeit.
Wir hüll’n uns ein voll Sittlichkeit.
Obwohl Natur stets Recht behält,
denn auch der Mensch kommt nackt zur Welt.
Erst nachher häng’n se uns was um.
Warum? Warum? Warum? Warum?

(9.)
Wenn wir wen treffen, frag’n wir stets
gedankenlos und schnell: Wie geht’s?
Dann geh’n wir weiter und der steht…
’s ist uns ganz schnuppe, wie’s dem geht!
Wir fragen bloß so blöd und dumm.
Warum? Warum? Warum? Warum?

(10.)
Wenn wir mal gehen zum Friseur,
spricht ganz bestimmt vom Wetter er.
Dabei komm’n wir von draußen her:
Wir wissen’s besser als wie der,
doch er erzählt’s dem Publikum –
Warum? Warum? Warum? Warum?

(11.)
Vom Reichstag meldet der Chronist:
’s kommt in die Höll’ der Kommunist.
Die meisten anderen Partei’n,
die komm’n ins Fegefeuer rein.
Im Himmel sitzt das Zenterum:
Warum? Warum? Warum? Warum?

(Z)
Noch heute gibt es viel Geschrei:
’s kommt in die Höll’ die Linkspartei!
Die meisten anderen Partei’n,
die komm’n ins Fegefeuer rein.
Im Himmel sitzt die CSU:
Nanu? Nanu? Nanu? Nanu?